Niederlausitzer Fundgrube

Beispiel eines industriösen Wenden,
aus einem Briefe über die Niederlausiz.

Abschrift aus "Lausizische Monatsschrift 1798" S. 136 ff.
(digitalisiert von Google, abgeschrieben von Bernhard Wagner)


Freund, hättest Du mir heuer Deinen versprochnen Besuch gemacht, so würde Dir der Augenschein und die bessere Kenntnis unserer Niederlausiz Deine widrige Vorstellung selbst gemildert und mich von Deinen Spötteleien und ironischen Bemerkungen befreit haben - Es giebt allerdings kale Sandfleke, aber deswegen sind sie noch nicht ganz wüste Pläze, leere Gegenden und unfruchtbare Stellen, auch bei weiten nicht so traurig als Du Dir sie denkst. Sie tragen eben auch ihre Pflanzen, nähren ihre Bewohner und haben Segen, Melodie und Wohlklang; sind folglich nichts weniger als vernachlässigte Stiefkinder der Mutter Natur (die vermuthlich nur Deine wizigen Reisende mit der Lorgnette aus dem Reisewagen durch die Fenster übers Gleis nakend gesehen haben,) sondern vielmehr Gegenstände, woran noch unsere zahlreichen Nachkommen ihre Wirksamkeit äusern und Freude haben sollen. Der grosse Saz des Weltweisen M. Panglos: in der Welt ist nichts ohne Ursach, nichts überflüssig und unnüz, möchte sich bei genauerer Untersuchung auch hier vortheilhaft bestätigen.
Es kann sein, daß unsere Wenden sonst weniger Industrie bewiesen, folglich auch ärmer und mehr als jetzt Sklaven waren; aber seitdem sie nicht nur von Kindheit an teutsch reden hören, auch in den Schulen teutsch und unstreitig besser als sonst unterrichtet werden, nähern sie sich auch mehr den Teutschen, verlassen allmälich ihre alten Gewohnheiten, und ahmen den Teutschen in ihren Verbesserungen der Erdarten, wie auch ihrem Luxus nach. Lezteres erfordert mehr Aufwand, und diesen können sie nirgends anders woher als von ihrem Akerbau und der Viehzucht ziehen. Ein ergiebiger Ertrag, den bessere Einrichtung, fleissigere Bearbeitung und geschiktere Bestellung verursacht, macht sie immer sorgfältiger und eifriger, und stellt ihnen Nachdenken und Thätigkeit in einem weit angenehmern und gefälligern Bilde, als weiland die Trägheit mit ihrem Gefolge von Armuth und Dürftigkeit in beständiger Furcht vor Stok und Knute dar. Daß sie nicht schon mehrere und grössere Fortschritte ihrer Kultur gemacht haben, wirst Du Dir besser denken können, wenn Du sie selbst wirst besser kennen gelernt haben. Damit Du mich aber nicht wieder der Partheilichkeit beschuldigst, so höre von vielen Beispielen nur eins, was auch noch lebhaft interessirt und wahre Thätigkeit beweist. Schon längst hatte ich so viel von Gojaz und dem angrenzenden Landsee Schwieloch, der mit der Spree und durch den Friedrich Wilhelm Kanal auch mit der Oder in Verbindung steht, gehört, wo beträchtliche Kaufmannsgüther von Stettin und andern Handlungspläzen spedirt und von hier zur Are weiter versendet werden, wovon ich Dir eine eigene vielleicht nicht ganz uninteressante Beschreibung machen könnte, wenn es Deine Neugierde verlangte und mir die Zeit es erlaubte. Vorigen Sommer machte ich also an einem freien Tage nebst drei muntern Reisegefährten einen sehr angenehmen Absteker dahin und freue mich noch bei der Zurükerinnerung darüber. Wir hatten uns nur ein wenig im Gasthofe erholt, so standen wir am See, der mit Dörfern, Gärten, Wiesen und Holzungen abwechselnd umgeben ist und hatten eine ungemein schöne Aussicht vor uns. Das Abladen der ungeheuern Kästen und Fässer aus den Schiffen und das Fortbringen derselben in die schöne und grosse Niederlage machte uns aufmerksam auf die ausserordentliche Stärke der Schiffer, ihre Gesundheit und Ausdauer bei so vieler Beschwerlichkeit und Mühe während ihres Auslaufens bis hierher. Als wir eben auch damit beschäftigt waren, bewillkommte uns ein gefälliger freundlicher Mann und machte uns auf unser Begehren mit der Grösse dieser Schiffe, oder Kähne, ihren Lasten und ihrer Einrichtung bekannt, zeigte uns die Teufelsmauer, nennte uns die Dorfschaften, und fragte uns, ob wir eine kleine Spazierfarth machen wollten? Dies kam uns gewünscht, wurde beifällig aufgenommen und sogleich nach bestelltem Mittagsbrodt am Bord nach dem Werder. Unser Schiffer stimmte in unsere fröliche Laune und so stiegen wir nach einer halben Stunde Herumschiffen am Werder schon wieder ans Land. Kaum hatten wir das Weidenufer im Rüken, so standen wir in einem nach der schönsten und sorgfältigsten Ordnung angepflanzten Baumgarten, in dessen Mitte sich ein reizender durch Kunstfleis angebauter Weinberg erhob. Natürlicher Weise wurden wir neugierig den Eigenthümer und Erbauer zu wissen und dies war unser gefälliger Schiffer selbst. Sein Name ist werth, daß man ihn nennt. Er heißt Johann George Schmidt. Durch ihn konnten wir also die sicherste Nachricht von der Entstehung und jezigen Beschaffenheit aus der ersten Quelle schöpfen. Sie hätten es vor 12 Jaren sehen sollen, fing er an, und sie glaubten es nimmermehr, daß dies der Plaz ist, der es damals war. Hier, fuhr er fort, indem er uns hinführte, war ein Loch, wo Schokweise Faschinen und Fuder Erde hinein mußten, dort ein Sumpf und tiefer Schlamm, hin und wieder Sträucher von Nadel und Laubholz; kurz eine Wildnis, worinnen sich nicht einmal der Bauern ihr Vieh gefallen konnte. So oft ich vorbei fuhr oder ging, that mir dieser unbenuzte grosse Flek leid und sann auf Weise ihn zum Nuzen für mich und meine Familie verwenden zu können. Gelegentlich zeigte ich es auch meinen Bekannten und Freunden, wurde aber gemeiniglich nur ausgelacht, und gutmeinend als für einem unausführbaren Projekt gewarnt. Aber der Mensch vermag viel, wenn er will, und ist mächtig wenn er seine Kräfte kennt, sagte einst ein erfahrner Mann, und dies war mir immer im lebhaften Andenken. Nach der Anfrage bei der Gemeinde, ob sie was darwider hätte, fing ich bei mondhellen Nächten meine Unternehmung an, karrte unermüdet Sand, Erde und was ich zur Ausfüllung der Löcher und Sümpfe brauchte, herbei, machte Abzugsgraben und überwand durch eisernen Fleis, ernstes Nachdenken und unüberwindliches Vertrauen auf die Vorsicht, eine Schwierigkeit nach der andern. Da man nach und nach die Möglichkeit der Ausführung sahe, und folglich das Lachen aufhörte, arbeitete ich auch am Tage. Tiefen waren gefüllt, Sträucher ausgerottet, das Seeufer erhöht, soviel sich thun lies nach der Linie gezogen, mit Weiden und Erlen bepflanzt und befestigt und endlich der ganze Plaz durch Anpflanzung von Obstbäumen lebendig gemacht. Allmählig aber fing sich schon der Neid einiger unverständiger Nachbarn an zuregen, die mir dadurch schadeten, daß sie ihr Vieh, weil es Gemeinhutung gewesen, dahin trieben, welches mir oft des Nachts zerstörte, was ich am Tage gebaut hatte. Die Pfähle waren durch das Reiben an denselben zerbrochen und der Stamm lag zerknikt oder umgebogen darnieder. Allein Geduld und Ausdauer siegte und die Idee eines Weinberges wurde immer mehr realisirt. Die beste Lage, welches ziemlich die Mitte war, wurde abgestekt, der Plan sorgfältig überdacht, die schiklichsten Mittel zur Ausführung erwogen und die nothwendigen Materialien mit Emsigkeit und unverdrossener Mühe herbei geschaft. Geduld und Nachdenken können unglaubliche Dinge bewirken. Dies sahe ich, jemehr ich fortfuhr, und Erfahrung macht immer klüger.
Wir kamen nun an den Weinberg, der von aussen mit einer ungemein schönen, diken und künstlich verflochtenen Heke der sogenannten Goldweide umgeben ist. Von innen umschließt ein gemauerter, wasserreicher Kanal mit Fischen verschiedener Art, der gespannt und abgelassen werden kann, den ganzen in seiner Art einzigen Weinberg gleichsam als ein Wall die Festung, über welchen ein kleine Brücke führt, von der sich ohngefähr 2 Schritte entfernt die Terrasse erhebt, die sich um den Berg herumzieht, auf einer steinernen Mauer ruht und von ihr …........... erhält, auf welcher Obstbäume ….......... von allerlei Sorten aus verschiedenen …...... schön und fruchtbar stehen und järlich eine reichliche Lese gewähren. Die vordern Reben werden durch Pfähle gehalten, die hintern aber lehnen sich an die Mauer, die die zweite Terrasse umgränzt, worauf ebenfalls Weinstöke und Fruchtbäume zahlreich abwechseln. Eine eben so hohe Mauer trägt und umfaßt die dritte Terrasse, welche eine beträchtliche horizontale Fläche enthält, worauf Weinstöke, tragbare Bäume und eine Baumschule befindlich ist. Für Küchengewächst war in den niedrigen Bezirken am schiklichsten Orten hinlänglich gesorgt. Blumen und Flitterstaat habe ich zwar nicht darinnen bemerkt, wohl aber wirkliche Schönheiten, welche Ordnung und eine kluge Einrichtung hervorbrachten und ihren guten Nuzen hatten. Sähest Du, Freund, diese Anlage selbst und könntest Dich der vormaligen Wildnis erinnern, wovon Du Dir aber in Eurer angebauten Gegend nichts ähnliches denken kannst; so würdest Du nimmermehr glauben, daß dies das Werk eines einzigen Menschen ist, der wenig Kosten darauf verwenden konnte, sondern es eher für eins der Pharaontischen Dienstbarkeit, oder eins des Probus halten, der seine Legionen befehligte, wie damals in Ungarn und Frankreich Weinberge anzulegen und Straßen auszubessern, um sie für den Staat nüzlich zu beschäftigen. Allein wie du weißt, geschahe dies nur sehr weislich im dritten Jarhundert, und, daß etwan die fürchterlich drohende Gewalt eines feindlichen Heerführers Tausende im Meilen weiten Umkreise zum Schanzen aufgebothen hat, wird und kann Dir nicht erst einfallen, weil das Lokal gleich widerspricht. Es mag Dir nun so unglaublich scheinen als es immer will, so kann ich Dir dem ohnerachtet an der Gewisheit nichts nachlassen, daß es nichts mehr und nichts weniger als rastlose Thätigkeit eines einzigen dafür leidenschaftlichen Mannes ist, der noch dazu nicht einmal zwei gesunde Hände hat. Um Dir eine noch anschaulichere Idee davon zu geben … …... die gerichtliche Ausmessung des ganzen ….. incl. des Weinbergs:
        Von     Mittag  gegen   Mitternacht     78      Maas
          -      Abend    -      Morgen           4       -
          -      Morgen   -      Abend           18       -
          -      Mittern. -      Mittag          62       -

              Das Maas durchgehends zu 8 Dresdner Ellen

Der Weinberg enthδlt:
         Von     Mittag  gegen   Mitternacht   9  Maas
          -      Mittern.  -     Mittag        9   - 5 Ellen
          -      Morgen    -     Abend         8  Maas
          -      Abend     -     Morgen        8   -
… …. grossen Winter (die Jarzahl ist mir entfallen) starben ihm über 300 tragbare Obstbäume … ….. … stehen schon über 200 andere … …. wieder tragbar da und die Anzahl wird alljärlich vermehrt. An der Abend und Mitternachtseite, wo die Bauern ihre Wiesen haben mußte er allein 600 Schok Weiden zu einem lebendigen Zaume von 300 Schritten in der Länge, und um den Weinberg 300 Schok anpflanzen, welche ungemein schon angewachsen sind. Den Wassergraben um die Terrasse des Weinberges hat er allein gegraben und ausgemauert, eben so auch die andern Mauern an und unter den Terrassen selbst verfertigt und dazu an 500 Fuder Feldsteine zusammen gesucht, mehrentheils selbst hingefahren und mit 23 Tonnen Kalk aufgeführt. Sähest du seine linke Hand, die durch einen unglücklichen Schus einer Flinte,(*) (die ohne sein Wissen und Wollen von einem Stosse losgieng) ein Fünftheil ihrer wesentlichen Erfordernisse in größter Geschwindigkeit ganz verlor, die übrigen 4 Fünftheile auf lange Zeit unbrauchbar und noch bis diese Stunde defekt, jedoch ohne Schmerzen sind, so würdest Du Dich noch mehr wundern. Die beständige Uebung, sagte er, hätte diese fast stärker wie die andere gemacht. Ein anderer würde es umgekehrt und sie destomehr geschont haben. Neben seinen Weinbergsarbeiten ist er auch Krämer und handelt mit Materialwaren, Glas, Steinguth und Porzellan. Verheurathet ist er, wie er selbst sagte, aus vielerlei Bedenklichkeiten nicht. Demohngeachtet war es stets sein Wunsch, daß ihn dieser Flek nebst dem Weinberge erb- und eigenthümlich zu geschrieben werden möchte, und nur nach einen langen Prozes mit der Gemeinde erlangte er es vom Weinberge mit vielen Kosten, vom Werde aber bleibt ihn bis zu seinen Tode die Obstnuzung und fällt nachher der Gemeinde zu. Dafür entrichtet er alle Jar 3 Rthlr. Erbzinns theils ans Rentamt Lübben, theils an die Gemeinde. Mehrentheils, auch in eben nicht vortheilhaften Jaren für den Weinbau, bekommt er doch järlich immer mehr über ein Viertel Wein, und für 20 bis 30 Rthlr. kann er Obstbäume verkaufen. Ob nun gleich dieses für jetzt 13 volle Jare saure Arbeit und 300 Rthlr. baaren Aufwand mit Einrechnung der Prozeskosten, nicht sonderliche Interessen sind, so ist ihm doch das Bewußtsein und die Selbstzufriedenheit. Etwas in seiner Art Grosses und Gemeinnüziges gestiftet zu haben weit mehr werth. Du fragst, ich sehe Dirs an der Miene an, ob man nicht höhern Orts auf seine Unternehmung aufmerksam geworden, ob er nicht einen kleinen Ersaz, eine kleine Aufmunterung, wie Medaille, oder etwas dergleichen aus der ….....kasse erhalten? Es thut mir leid, daß ich Dir verneinend antworten muß. Damals sagte er mir auf die nämliche Frage, „ich bin noch …. so …..... gewesen, vor die rechte Schmiede zu ….... . Als Fremder und der provinzial Ver......... Unkundiger konnte ich ihm nicht den ge.......... Weg dahin zeigen, überzeugte mich aber …...., daß ihn irgend ein Menschenfreund zu ….. ….. oder leiten wird, besonders da ihn Ehre mehr als Eigennuz zu reizen scheint. Ein andermal, um Dich heute nicht zu sehr zu ermüden, sollst Du noch mehrere Beispiele meiner gegenwärtigen …...... erfahren, die gewis, [wenn auch Dich …......] Deinen ökonomisirenden Adolf interessiren. Küß ihn in meinen Namen u. lebewohl!
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(*) In seinen Jugendjaren.