Niederlausitzer Fundgrube

Der Heimatwanderer Nr. 6 / 1929

Von Finsterwalder Mundart.
Von H. R. Alfred Mueller.

Doh wu da duft´jen Schohke braune Wellen
Benetzen schwach da derren Felda Sand,
Wu schtolz empor sich qualm´je Essen schtellen
Doh is da Finsterwalda heil´jes Land.
Wu de Kattoffeln bliehen un Schtobeswulken ziehen,
Wu sich das derre Gras zu leichten schtreibt:
Alldoh da Finsterwalda lebt un leibt.

Wer kennt sie nicht dem Namen nach, diese Sängerstadt mitten im Herzen des deutschen Vaterlandes, deren Söhne im 70er Kriege vor den Toren von Paris dichteten:
„Mir sin de Sänga von Finsterwalde!
Mir leb´n und schterben fier den Jesang!“
Lediglich dieses Sängerlied, welches um die Jahrhundertwende von Alt und Jung in Deutschland sowohl wie im Auslande gesungen und gepfiffen wurde, hat der Stadt Finsterwalde einen gewissen Namen verschafft. Nicht durch Naturschönheiten, von denen die Stadt arg vernachlässigt wurde, ist sie berühmt geworden. Dennoch hat sich der waschechte Finsterwalder so manches Alte wie ein kostbares Kleinod bewahrt. Darunter gehört vor allem seine eigenartige Mundart.
Es soll nicht Aufgabe dieser Abhandlung sein, zu untersuchen, wie sich dieser eigenartige Dialekt herausgebildet hat. Diese Aufgabe mag dem Sprachforscher vorbehalten bleiben.
Der Finsterwalder Dialekt ist ein Gemisch der Berliner und sächsischen Mundart mit wendischem und plattdeutschem Einschlag. Er klingt etwas hart, robust und wird in der Tat nur in Finsterwalde gesprochen. Schon die Mundart der benachbarten Gemeinden Massen, Nehesdorf (seit Ende Januar 1928 eingemeindet), Münchhausen, Sonnewalde, Kirchhain und Dobrilugk unterscheidet sich ganz deutlich vom Finsterwalder Dialekt, sodaß es absolut nicht schwer fällt, die Finsterwalder Mundart aus hunderten anderer Dialekte ohne weiteres herauszuhören.
Typisch ist zunächst, daß der Finsterwalder statt wir immer „mir“ verwendet, das jedoch zuweilen durch „ma“ ersetzt wird, z.B. „heite kenn´n ma noch nich heem jehn!“ Macht Baby seine ersten Gehversuche und stürzt es dabei hin, dann „fellt es uff de Erde“, beileibe nicht zu Boden, selbst wenn sich die elterliche Wohnung im vierten Stockwerk befindet. Ist das Kindchen nun etwas älter geworden, dann schimpft die Mutter ganz gehörig, wenn es vom Butterbrot die Korschte (Brotrinde) nicht mit gegessen hat. „Grode doh drinne is de merschte Murkse!“ (Kraft), sagt sie dann. Das beliebte Kreiselspiel kennt das Finsterwalder Kind nicht, „es kann bloß Kobblick treibn“. Unterhalten sich zwei Finsterwalder Frauen und so ein Dreikäsehoch steht, Maulaffen feilhaltend dabei, dann donnert es: „Jeh weg Du Schperrlabbe, stich (stecke) Deine Parpe wu andersch rein“. Parpe ist überdies der Ausdruck für eine laufende Nase, für eine Zwiebelröhre oder auch für eine unschön klingende Weiden- oder andere Pfeife. „Der Junge treckt sich noch zu Tode“, heißt es, wenn er einen beladenen Wagen ziehen muß. Gibt er sich hierbei nicht die erdenklichste Mühe, dann will ihn der Vater „klei heemleichtn“. In Finsterwalde wird die Schuljugend nicht konfirmiert, sondern die „Jungs un Meechen wärn in de Kärche einjedegnt“. Bricht in Finsterwalde Feuer aus und die Alarmglocke des Rathauses ertönt, dann „schtermts“. Die Kirchenglocken hingegen werden jelauten.
Der Finsterwalder fragt nie, „er froht bloß, er tut bloß frohn“. In Finsterwalde nisten die Stare nicht im Starkasten, sondern in „da Schtorholle“. Gruben gibt es in Finsterwalde nicht, dort kennt man nur „Keiten“. Hat sich so ein Hausfrauchen mit einer Bekannten in ein Gespräch eingelassen, dann wird jeder Satz mit „na, ich kann da vasichan“ (ich kann Dir versichern) bekräftigt. Das ominöse „Nicht wahr?“ wird mit „Wohr?“ ersetzt. Es gibt Finsterwalder, die jeden Satz mit diesem „wohr?“ beenden. Der Finsterwalder badet nicht, hier „werd bloß jebohdn“. Er ist auch keine Wurst, sondern „bloß Worscht von´n Fleescha“. Es ist ihm aber nicht „Worscht“ wenn er geneckt wird, denn dann antwortet er ganz bestimmt: „Halt Deine Labbe (Mund), Du dußlicha Hund!“ Allein an diesem drastischen Ausdruck ist der waschechte Finsterwalder schon zu erkennen. „Jeld“ hat der Finsterwalder anscheinend aus dem Berlinischen geerbt, hingegen scheint er „Plumpenschwängel“, „Mährte“ (große Umstände machen), „Treckschleider“ (Bezeichnung für losen Mund) aus dem Sächsischen entnommen zu haben. Im allgemeinen spricht der Finsterwalder ziemlich viel und auch sehr laut, sodaß dem Uneingeweihten zwei Finsterwalder leicht auf die Nerven fallen können. Der Schnabel „jeht wie ´ne Treckschleider“. Wird dem Finsterwalder irgendeine Neuigkeit hinterbracht, dann zweifelt er: „Bist woll varickt?“ (Bist wohl verrückt?). „Dunnschtags jibts in Finsterwalde Plinze oder Waffeln, zu Faßnachtn Fannkuchn in Leineel jebackn“. Das Leinöl spielt in Finsterwalde überhaupt eine bedeutsame Rolle. „Quark met Leineel“ wird als besondere Delikatesse geschätzt, ebenso Pellkartoffeln und Leinöl. Dabei werden die „Erdschocken“ nicht ins Leinöl getaucht, sondern „jetunkt“. Heidelbeeren und Preißelbeeren kennt der Finsterwalder nicht, obwohl ihm gerade diese leckeren Waldfrüchte in den ausgedehnten Waldungen der Umgebung reiche Ausbeute gestatten; für ihn gibt es nur „Heedelbärn und Kroseln“. Das männliche Schwein heißt in Finsterwalde „Kuhnsch“, die Ziege „Zigge“, das Huhn „Hinne“, das Kaninchen „Kanickel“. Der Spatz sitzt nicht auf dem Dachfirst, sondern „uff da Färschte“. Trifft Brotworschtlehmann seinen Freund Piepschulze auf dem „Marcht“ (Marktplatz), dann ist seine erste Frage: „Wu jehst´n henn?“ Und Piepschulze lädt seinen Freund zum Mitgehen ein: „Kimmste met?“ Darauf antwortet Lehmann: „Tja, wenn de bale wedda kimmst“ (Wenn du bald wieder kommst). Statt zum Barbier geht der Finsterwalder zum „Balbier“. Dort läßt er sich nicht rasieren, sondern „den Bort abnähm“. Dafür „bezohlt er vier Sechser“ (Zwanzig Pfennige). Ein Fünfzigpfennigstück ist ein „Viergroschenstickchen“, weil der Silbergroschen in früheren Jahren 12½ Pfennig galt. Eine üble Angewohnheit hat der Finsterwalder insofern, als er „mich“ immer mit „mir“ verwechselt. „Du kannst mir jerne honn“ (Du kannst mich gern haben), sagt er. Im allgemeinen verwendet er statt des a meist das o, statt des d vielfach das t, stat b fast immer das p, anstelle von g meist k, für o meist u, anstatt i vielfach e. Daher erklärt sich auch die hart und robust klingende Mundart. Für eu oder äu verwendet der Finsterwalder ei oder auch ee, z.B. Freide für Freude, Keile für Keule, Beeme für Bäume, aber Boom für Baum, Zeine für Zäune, hingegen spricht er „Zaun“ wieder richtig aus. Die Beispiele ließen sich natürlich unendlich vermehren. Ein bestimmter Grundsatz läßt sich aber beim besten Willen nicht aufstellen, weil der Finsterwalder einmal richtig, das andere Mal aber in seiner Mundart spricht. Er sagt ganz richtig „Karte“, aber im selben Moment erscheint für „Garten“ das Wort „Gorten“, für „warten“ – „worten“. Es dürfte jedenfalls kaum eine zweite Stadt im deutschen Vaterlande geben, die eine derart verworrene Mundart bewahrt hat.





Der Heimatwanderer Nr. 7 / 1932

Hundstage.
(Finsterwalder Mundart.)
Von Hermann Richard.

´s Ohmdbrot hat aba heite jeschmeckt;
´s jab neie Kattoffel un Leineelquark.
Unse Vata hat sich ´n Boart un sein Maul jeleckt
un jesoht: „Kattoffel un Quark,das macht schtark!“

In de Bettn obn schloafn se nu feste.
Hindan Obn ungn rascheln de Meise
un knabban an Vatasch ahle Lädaweste,
da Kuckuck fährt aus´n Uhrjeheise.

Weil´s zwälbe schlett, musse zwälfmoa schrei´n.
Un langsam kimmt Monds Willem um de Ecke jezogn,
un scheint durch de nei´n Gaddinchn rein.
De Meise hann zu schleppn un zu trohn.

Se zerr´n sich Worschtschoaln und -zippel in ihre Lächa.
Da Mond wandat weita ebba Tisch und Schtiehle,
zu´s Fensta raus un ebba alle Dächa.
Jetzt schtehta groade ebba Kriegasch Miehle.

´s schlett, un da Kuckuck schreit dreie durchs Haus.
Nu honnse bale jenucht jeschloafn.
Mir beißt ´ne Wanke und oh ´ne Laus.
Un drebbn kräht schonnt da Hoahn von Groafn.

Da Morgnwind kimmt; de Weinschtäcke reibn
sich draußn an de blankn Fenstascheibn. --
Nu mägn se obn moa ans Uffschtehn denkn,
un runda ihre Pultaschritte lenkn.

Mir Kinda, Vata un de Frau´n,
mir wolln doch heite Weezn hau´n.
Un Großmutta wullde an Grabn sicheln
Graß for de Ziggn von de kranke Micheln.

Jetzt wär´n de Sänsn jedängelt uffn Hofe.
De Sunne schteht oh uff un ´s wärd helle.
De Bäcke holn sich aus´n Schtall de Schofe.
Da ahle Koata leckt ´n Dreck von sein´ Felle.

Un bale issis ganze Dorf wedda uffn Fälde.
De Männa hau´n, vaflucht un zujenäht;
un Vata qualmt von sein´ allaletzten Jelde
bissis denn ohmd wedda lustich heeme jeht.





Der Heimatwanderer Nr. 8 / 1932

Das Glück auf eigener Scholle.
(Finsterwalder Mundart.)
Von Hermann Richard.

An de Heede schteht mein Haus. ´s sieht nich grade nobel aus.
Jebaut issis joa bloß aus Holz. Un doch issis mein eenzija Schtolz.

Jedeckt ho ´ch mein Heischen met ahle Schindeln.
Dafor aba issis schuldenfrei.
Mir lieht nich ´s Dicketun un Schwindeln.
Mein Haus is bezoahlt un deswegen mein!

Von frieh an scheint de liebe Sunne
in meine niedliche, friedliche Schtubn,
un belacht meine Male, meine Wunne,
un oh meine drei herzijn Bubn.

Un in´ Schtall schteht ´ne Kuh
un zwee Schunnchn dazu.
Hindan Obn läht ´n Kätzchn
un an de Wand hängt ´n Mätzchn.

Komme ich ohmds von de Arbeit:
Gott! Is das eene Lust!
Denn do fliehn meine Kinda
un Male an meine Brust.

Nochher sitz´n ma bei´s Essn,
un ma schpachteln so froh
unse eegnen Katoffel
un een Häring dazu.

Denn schaukeln de Kinda
uff Vatan sein Knie.
Se lachn un singn
un jebn sich oh Mieh´.

„Hie hast ´n Toala!
Un jeh´ uffn Marcht!
Do koofste dir ´ne Kuh,
un een Kälbchn dazu!“

Zehnmoa muß ich´s sohn
bis de Kinda zur Ruh´.
Se hann vill zu frohn
un se herzn dazu.

Un wenn denn de Kinda
ins Bett sin jebracht,
denn wärd noch met Malen
´n Labbrich jemacht.

Un mir herzn und scherzn
bis de Oogn wär´n schwer.
Un denkn, daß Hochzeit
erscht heit´ bei uns wär.

Hält uns weita da Herrgott
wie bis jetzt in de Händ´
denn wolln ma ´n oh preisn
bis an unse selijes End´.