Niederlausitzer Fundgrube

Der Heimatwanderer Nr. 7 / 1929

Aus Luckaus Leiden in den Napoleonischen Kriegszeiten.

Sehr schnell hatte Sachsen nach dem Unglück von Jena im Oktober 1806 den Frontwechsel vollzogen. Es erntete dessen Früchte mit Königstitel und Länderzuwachs in den Friedensschlüssen am 11. Dezember in Posen und im Juli 1807 zu Tilsit. So blieb Luckau noch von Kriegsleiden verschont, denn das Rheinbundkorps unter General Vandamme durchzog, den neuen Freund schonend, von Bayreuth zur Eroberung Niederschlesiens schreitend, nur den südlichen Teil Sachsens. 1809 kam nur eine kleine Streife der Braunschweiger aus Böhmen während ihres kühnen Zuges zur Nordsee nach Luckau. Erst das Frühjahr 1812 brachte durch den Aufmarsch der Franzosen gegen Rußland mit dem Durchzug großer Truppenmassen durch Einquartierung, Beköstigung, Wagen- und Pferdegestellung, Aufnahme zurückbleibender Kranker und Lieferungen manches Ungemach. Aber diese Vertreter der verschiedensten Völker: Franzosen, Italiener, sogar Portugiesen, auch Süddeutsche und Deutsche aus dem neugeschaffenen Königreiche Westfalen waren wohl ungebetene Gäste und manchmal ungeberdig, aber keine Feinde und mußten sich maßvoll verhalten. Nachdem sich in den letzten Monaten die Durchzüge immer mehr vermindert hatten, kam im Januar 1813 die Rückflut der Trümmer und brachte durch Einschleppung besonders des Flecktyphus allerlei Krankheiten, die zahlreiche Einwohner und alle Aerzte dahinrafften. Erst im Laufe des Jahres 1814 erloschen diese Seuchen. Russen auch stark verseucht und Preußen folgten zunächst in kleinen Abteilungen. Erst als nach der Schlacht bei Lützen die drohend auf Berlin angesetzte Armee des Marschall Ney nach Bautzen herangeholt wurde, kamen am 16. und 17. Mai 40000 Mann des Ney´schen und 20000 vom Reynier´schen Korps und hielten in und bei Luckau Rast. Ihnen folgten 20000 Preußen unter Bülow am 24., die am 3. Juni spät in der Nacht zurückkehrten und sich zur Schlacht rüsteten. Welche Unruhe und Schrecken, welche Verheerungen schon die Anwesenheit solcher Truppenmassen, wenn auch nur zur Rast erzeugten, kann sich nur der recht vorstellen, welcher solche im friedlichen Manöver oder im Ernst des Krieges sah.
Dann folgte mit dem Kampf am 4. Juni die Beschießung der Stadt mit dem Brande der Kalauer Vorstadt und angrenzender Häuser der Stadt.
Welchen Eindruck diese Ereignisse auf nicht vom Unglück betroffene Personen, insbesondere die des damaligen Stadtschreibers und Gerichtsmanns Christian, Samuel Gotthold Gallus, seine Gattin und Schwägerin machten, davon sind folgende Briefe Zeugen.

Lieber guter Bruder!
Mit zitternder Hand schreib ich, was es werden wird, weiß Gott. Noch leben wir Alle, noch haben wir Alles, Gott der Höchste weiß wie lange. Sehr viel haben wir gesehn und gehört, mündlich mehr. Die Freude die wir hatten als wir Lübbenau sahn, kannst Du Dir leicht denken. Thränen der Freude brachen aus, ich bin schwach und matt, von aller Bewirtung in unserem Gasthause, Kranke und halbtote habe ich ganz gepflegt. Blut genug in unsern Stuben und Betten gesehn, Gott wird helfen. Die Kinder machen uns viel Noth. Oh! der Mann aufs Rathaus, wir allein. Feuer war aber nicht in unserer Nähe. Grüße alle Verwandten besonders Heinrichs (?) Lebe wohl –

Nachschrift des Urgroßvaters:
Wir haben viel Noth gehabt, viel ausgestanden, doch ist es jetzt überstanden. Ich würde Dir alles ausführlich schreiben, wenn ich Zeit hätte und die Ermüdung mir es erlaubte, ob ich alles gesund überstehen werde, weiß Gott, doch muß gethan werden was man kann; so will es die Pflicht, drey Nächte habe ich keine Ruhe gehabt. 75 Häuser in der Vorstadt 71 in der Stadt, und die ganzen Scheunen in der Kalauer Vorstadt sind ein Raub der Flammen. Mündlich mehr
Gallus

Nachschrift der Urgroßmutter!
Komme ja nicht zu uns, darum bitten wir Alle herzlich, ist alles ruhig dann kommen wir erst zu Euch
Leb wohl

Lieber guter Bruder!
Zum Beweiß daß ich nach den schrecklichsten meiner Tage noch lebe, sey Dir dieser Brief. Wir haben viel ausgestanden, doch ist keins verunglückt, unser Haus steht noch und haben auch nichts verloren. Gott gebe daß Du das alles nie mit erfahren magst. Laß Dir von den Lübbenauern erzählen wie es hier aussieht. Die erschienen uns als wahre Engel, ich habe die ganze Schreckenszeit nicht geweint, und als ich die Menschen sah, konnte ich mir der Thränen nicht enthalten. Komm aber ja nicht her, denn Du weißt wir sind gesund und gehen nicht aus der Stadt. Nun lebe recht wohl, bleibe gesund und lebe glücklich dies wünscht
Deine Schwester
Wilhelmine Scharbe.

Dann kam die zweite Beschießung der Stadt am 28. August 1813 und wie groß die Not in Luckau noch nach fast ¾ Jahren war, zeigt der Aufruf zur Hilfe an die Niederlausitzer vom 8. April 1814, unterzeichnet von v. Houwald (unleserlich) und Freiherr v. Schulenburg, Vorsitzender des Hauptausschusses, er lautet:
„Unter allen Städten Sachsens hat Luckau verhältnißmäßig am meisten gelitten, mehr als 200 Familien ohne Obdach und Nahrung – die schönsten und fruchtbarsten Gärten sind zerstört und in Schanzen umgewandelt und ehemals freundliche Umgebungen sind verwüstet und alles ringsumher trägt das grause Bild der Vernichtung. Die vormals reichen und glücklichen Einwohner irren jetzt größtenteils arm und hilflos umher und bitten sich Nahrung und Obdach von der Wohltätigkeit ihrer verschonten Nachbarn. Das nahende Frühjahr ruft alle zu einer erneuten frohen Tätigkeit, nur ihre Betriebsamkeit ist gelähmt, nur sie stehen trauernd auf den Trümmern ihres ehemaligen Glückes, ohne Mittel ihre zerstörten Wohnungen wieder aufzubauen, ohne Hoffnung ihre verlorene Habe wieder zu gewinnen. Zwar ist ihr Verlust zu groß, um ihnen durch die Hand der Mildtätigkeit Alles wieder gewähren zu können, was ihnen das verhängnisvolle Jahr 1813 raubte, aber auch kleinere Beiträge werden ihnen willkommen sein und ihr Elend mildern, das gewiß lauter zu Eurem Herzen spricht, als unsere Worte vermögen. Auch Euch konnte ein gleiches trauriges Schicksal treffen und daß es Euch nicht traf, daß die Hand der Vorsehung die drohenden Gefahren gnädig an Euch vorüberführte, dafür werdet Ihr ihm am würdigsten danken, wenn Ihr Eure leidenden Mitbürger tätig unterstützt.