14. Samland: Bernsteinküste, Steilufer bei Groß-Dierschkeim

die große Rominter Heide, dieses stolze kaiserliche Jagdgebiet, die höchst malerischen Wasserstraßen am Kurischen Haff, dann ist wohl erwiesen, daß auch diese Ebene an eigenartiger Schönheit keineswegs Mangel leidet.
    Aber auch die eigentliche Ebene selbst ist durchaus nicht des Reizes bar. Sie ist gar nicht die weite, eintönige Fläche, als die sie gemeiniglich wohl heute noch gilt. Oedland kennt sie fast überhaupt nicht. Sie liegt ganz unter dem Pflug und bietet dasselbe anmutige Bild, wie irgendeine wohlbesiedelte und wohlbewirtschaftete Landschaft, in der durch Art und Anlage der Felder, durch Wald und Busch und Baum, durch Fluß und Bach und Teich, durch Städte, Dörfer und Höfe für reichliche Abwechslung schöner Bilder vollkommen gesorgt ist. Jeder Besucher des Landes kommt sicher auf seine Rechnung und mag sich nach Gefallen aussuchen, welche Art von Schönheiten ihn besonders anziehen. Er muß nur mit gutem Willen kommen und nichts erwarten, was die Tiefebene überhaupt nicht zu bieten vermag.
    Aber allerdings, wenn sie auch ihre großen Schönheiten hat, so ist doch die Stimmung, die der Himmel über diese Erde breitet, in der Hauptsache eine ernste und trägt dadurch auch ein Wesentliches

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15. Samland: Bernsteinküste, Steilufer bei Warnicken

dazu bei, die Schönheit Altpreußens zu einer herben und strengen zu machen. Es ist doch ein hartes Land, diese östlichste unserer Grenzprovinzen und ist in vielfacher Beziehung unter ungünstigere Bedingungen gestellt, wie irgendein anderer Landesteil. Ein rauhes Klima mit kurzem Sommer und langem, lichtarmen Winter erschweren die Bewirtschaftung des an sich im wesentlichen guten Bodens außerordentlich. Die langen Grenzen des Meeres einerseits und Rußlands andererseits haben dem Handel und der Industrie bisher engere Grenzen gezogen, wie anderswo, und bis in die neue Zeit hinein ist, wie gesagt, auch die Verbindung "mit dem Reiche", mit dem übrigen Vaterlande eine verhältnismäßig recht geringe gewesen. Und nicht nur das. Nicht nur gegen Lage und Klima hat das ostpreußische Volk seit Jahrhunderten, ja seit seinem Eintritte in die Geschichte im Kampfe liegen müssen, nein, auch die östlichen Nachbarn haben sich immer wieder auf diesen vorgeschobenen Posten abendländischer Gesittung gestürzt, haben immer wieder Raub und Brand in das Land getragen, haben immer wieder versucht, es unter ihre Botmäßigkeit zu zwingen. Es mag nur an den Poleneinbruch von 1410, an den Tatareneinfall von 1656, an die Zeit

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Ostpreußische Fundgrube