Ufer zur Ostsee ab, deren Wellen fast alljährlich neuen Tribut von ihm heischen, um dafür den Bernstein zurückzugeben, der in so reicher Menge auf der ganzen Erde nur hier auf dieser ostpreußischen Halbinsel gefunden wird. Die malerische, baumbestandene Küste mit ihren lieblich in das Grün der Ufer eingebetteten Badeorten findet ihren nächsten Mitbewerber erst in den Steilufern Rügens, die nur deshalb bekannter sind, weil sie dem Herzen des deutschen Vaterlandes näher liegen.
    Solche Glanzpunkte sind weiter die beiden Nehrungen, die Frische und die mehr noch genannte Kurische, jenes schmale, fast sagenhaft gewordene Land, das, noch bis an die neueste Zeit heran dem Verkehre nicht erschlossen, umweht war von den Schauern des Unbekannten, Unwirtlichen, jenes Land, das den Siegeszug des Großen Kurfürsten über das Haff, wie die Flucht der geliebten Königin Luise nach Memel gesehen hat, jenes Land der tückischen Triebsandflächen, der Hügelketten von Wanderdünen, der weltfremden Fischerdörfer, die der wandernde Sand begräbt, die gewaltigste Heerstraße der Zugvögel und die Stätte der weitberühmten Vogelwarte Rossitten, der schmale Schutzwall zwischen Haff und Meer. Diese Ketten von Wanderdünen sind Berge von feinem Seesand, die sich am Meeresufer bilden und bis zu ganz ansehnlichen Höhen anwachsen. Der Wind, der sie mit den Wellen der See entstehen ließ, streicht über sie hin, und mit ihm laufen tagein, tagaus auf der flachgeneigten Windseite die Sandkörner hinauf, um auf der steilgeböschten Leeseite bald wieder hinabzufallen. So bewegen sich diese Berge in ewiger Unrast in der Hauptwindrichtung, vom Meer in das Haff, und für jeden, der auf der Haffseite in die Tiefe versinkt, sendet das Meer bald einen neuen über das schmale Land. Beim Sturme ist dieses Wandern so stark, daß der Sand von dem Grat der Hügel wie eine Rauchfahne in die Luft hinaus steht, und daß er dem Reisenden gar Hände und Gesicht zerpeitschen kann. Ursprünglich waren die Nehrungen bewaldet. Unter dem Großen Friedrich wurden sie aus zwingender Notwendigkeit abgeholzt, und dann entstanden die Wanderdünen. Heute sind weite Strecken schon wieder festgelegt und aufgeforstet, und es ist wohl nur eine Frage nicht mehr allzulanger Zeit, bis auch die letzte dieser

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13. Stegmannsdorf, ermländischer Wallfahrtsort
(Aufnahme der Meßbildanstalt)

Dünen der Vergangenheit angehört. Heute sind sie aber noch ein Gebiet von ganz eigentümlichem Reize, ein Gebiet, wie es ein zweites Mal auf dieser Erde überhaupt nicht wieder vorhanden ist. Eine Wanderung durch die weite, weiße Einsamkeit dieser lebendigen Hügel, in denen man vielfach nur noch Sand um sich sieht mit den eigenen Spuren, die der Wind, kaum daß sie entstanden, schon wieder zu verwehen beginnt, mit dem blauen Sommerhimmel über sich und den weiten Wasserflächen am Horizont, gehört wohl zu den stärksten Eindrücken, die man überhaupt gewinnen kann. Wenn man daneben noch die Merkwürdigkeiten der Hochmoore, voran das Augustumalmoor, das Große Moosbruch und das als Naturdenkmal geschützte Zehlaubruch erwähnt, die Elchreviere mit ihrem aus grauer Vorzeit bis in unsere Tage hineinragenden, seltsam gewaltigen Urwild, die Ibenhorster Forst, den Frisching,

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Ostpreußische Fundgrube